Eine Woche Online-Unterricht - ein erster Erfahrungsbericht

Wenn man dieser Krise aus schulischer Sicht etwas Positives abgewinnen kann, dann die Tatsache, dass sich viele Schüler, Schülerinnen und Lehrkräfte derzeit mit den Möglichkeiten digitaler Medien auseinandersetzen. Die Not bewegt auch so manchen Technikmuffel vor das Laptop, denn die Ausgestaltungs- und Umsetzungsmöglichkeiten von Online-Unterricht sind schier unerschöpflich. Das Versenden von Aufgaben per E-Mail stellt hierbei nur das unterste Ende der Optionen dar. Komfortabler gestaltet sich der gemeinsame Zugriff auf und der niederschwellige Austausch von Dateien mittels einer Cloud.

Für mich revolutionär und zentral für die Motivation der Schüler ist jedoch der Unterricht mittels Videotelefonie in Echtzeit. Diese ermöglicht quasi eine vollständige Simulation unterrichtlicher Realität inklusive Ermahnungen und Beschwerden über zu viele Hausaufgaben. Das Prinzip ist einfach: Lehrer und Schüler verabreden sich zu einem bestimmten Zeitpunkt, in meinem Fall montags bis freitags, 10:00 Uhr, zum Unterricht. Mit einem Mausklick rufe ich dann die Schüler an, die ich vorher in einer virtuellen Klasse angelegt habe und diese erscheinen nach und nach auf meinem Bildschirm. Fast alle Schüler benutzen hierfür ein Laptop oder Tablet, zur Not geht es aber auch mit dem Smartphone. Nach einer kurzen Begrüßung schalte ich ein beliebiges Fenster auf den Bildschirm der Schüler und erkläre den Stoff. Das kann beispielsweise eine WORD- oder EXCEL-Datei sein. Besonders geeignet sind auch digitale Zeichenbretter, auf denen man mit einem speziellen Stift schreiben kann wie auf einer Tafel.

In Echtzeit kann ich dann Inhalte entwickeln und erklären. Die Schüler sehen zeitgleich, was ich gerade schreibe oder zeige und können sofort nachfragen, wenn sie etwas nicht verstehen. Wichtig hierbei: Alle sollten idealerweise ein Headset mit eingebautem Mikrofon verwenden. Notfalls geht auch ein Kopfhörer mit Mikrofon im Kabel. Das vermindert das Grundrauschen deutlich. Klar ist auch: Es kann immer nur einer reden. Aber das kennen unsere Schüler schon aus dem Unterricht mit Höranlagen. Sind Gebärden erwünscht, splittet man das Fenster und richtet die Kamera auf sich aus, damit die Schüler die Gebärden sehen können. Auch Gruppenarbeit ist möglich, dafür löst sich die gemeinsame Klassenunterhaltung auf und die Schüler eröffnen für den Zeitraum der Gruppenarbeitsphase eine neue Videogruppe.

Sämtliche eingesetzte Dateien lege ich dann zusammen mit Hintergrundinformationen und Übungsaufgaben in einem anderen Programm ab, in welchem die Schüler vollen Zugriff haben, in einem Chat Fragen stellen können und sich die von mir verlinkten Lernvideos anschauen können. Sowohl das Videotelefonie-Programm als auch die Plattform für das Datenmanagement sind kostenfrei.

Hausaufgaben können die Schüler entweder am PC erstellen und hochladen oder aber handschriftlich erledigen und abfotografieren bzw. scannen und dann versenden.

Am Ende der täglichen Unterrichtseinheit bleibt auch immer Zeit, um mit den Schülern über die aktuelle Situation zu reden, Ängste zu besprechen und gemeinsam glaubhafte von unseriösen Informationsquellen zu unterscheiden. Die Schüler haben das Angebot, zumindest in unserer Altersgruppe, dankend angenommen. Es ersetzt keine Schule, gibt ihrem Tagesablauf aber Struktur und man bleibt mit den Schülern verbunden und steht ihnen als verlässlicher Ansprechpartner zur Verfügung - in diesen bewegten Zeiten nochmals ein großer Vorteil.

David Herion, 23.03.2020

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