Hörerziehung / auditive Wahrnehmungsförderung
Hörerziehung bei Kindern im Förderschwerpunkt Hören hat zum Ziel, noch vorhandenes Restgehör mit Unterstützung durch technische Hörhilfen und gezieltem Einsatz von Hör-Sprechanlagen auf der Geräusch- und Sprachebene zu aktivieren.
Besondere Hörübungen im Unterricht dienen dazu, akustischen Ereignissen Bedeutungen zuzuordnen, rhythmische, melodische und dynamische Merkmale von Wörtern und Sätzen zu erkennen und sowohl für die Sprachwahrnehmung als auch für das eigene Sprechen zu nutzen.
In der Sekundarstufe I wird das „ Hören lernen“ auf unterschiedliche Weise geübt und gefördert: z.B. durch sachbezogene Gesprächs- und Diskussionsrunden, durch das Hören und die Herstellung von Hörspielen, verschiedene Theaterangebote, Trommel-AG, Chorangebote…
Unter auditiver Wahrnehmung ist die Fähigkeit zu verstehen, akustische Reize aufzunehmen, zu unterscheiden und über Assoziations- und Interpretationsvorgänge zu verwerten.
Bei vielen Kindern und Jugendlichen in unserer Sekundarstufe sind auditive Funktionen oder Teilleistungen in diesem Vorgang beeinträchtigt.
Die Schüler sind oft in ihrer Konzentration und Aufmerksamkeit eingeschränkt und haben Orientierungsprobleme im Alltag. Ihnen fällt das Lesen- und Schreibenlernen häufig schwer; ihre Sprachentwicklung ist beeinträchtigt und ihre soziale und emotionale Entwicklung belastet.
Wir schaffen günstige Hörbedingungen nicht nur durch Akustikdecken, Teppichböden, Klassen-Hör-Sprechanlagen, gute Lichtverhältnisse und kleine Klassen, sondern auch durch eine gute Zuhör- und Gesprächskultur, durch die bessere Lernerfolge erst möglich sind. Wir stärken die Kinder und Jugendlichen in ihrer Zuhörkompetenz und bieten Alternativen zur visuellen Reizüberflutung.
Wir machen Hörereignisse und Hörerfahrungen in den unterschiedlichen akustischen Teilbereichen gezielt zum Thema des Lernens.
Mit Hilfe eines gut strukturierten Unterrichts mit Arbeitsphasenwechsel, Anspannungs- und Entspannungsphasen, einer guten Unterrichtsorganisation und der Anwendung verschiedener Lernstrategien lernen die Schüler, sich auditiven Stimuli besser zuzuwenden, diese bewusst wahrzunehmen und zu verarbeiten.
Artikulation und Sprechtherapie
Grundlage einer Artikulationseinheit ist u.a. eine Lautüberprüfung anhand eines Lautüberprüfungsbogens, der gemeinsam mit dem Schüler ausgefüllt wird.
In enger und kontinuierlicher Absprache mit dem Klassenlehrer und den außerschulischen Therapeuten werden die wöchentlich stattfindenden Fördereinheiten geplant.
Die Sitzungen finden in der Regel in Einzelbetreuung statt.
Ziel ist eine möglichst lautgerechte Aussprache und die Beachtung des Sprechrhythmus. Gemäß seinen individuellen Möglichkeiten aufgrund der unterschiedlichen auditiven, visuellen und taktilen Fähigkeiten soll der Schüler optimal gefördert werden. Hierbei wird sich am jeweiligen Entwicklungsstand orientiert.
Dem Schüler soll die Lautsprache über die verschiedenen Wahrnehmungskanäle vermittelt werden:
- Der Spiegel ist ein wichtiges Hilfsmittel um die Stellung des Mundes und der Zunge zu vergleichen, die Bewegungen sichtbar und bewusst zu machen.
- Mit dem Nasenspiegel wird nasales Sprechen sichtbar.
- Die Tast-Fühlstruktur hilft stimmhafte und stimmlose Laute zu unterscheiden und den Luftstrom zu erkennen, z.B. das Fühlen des Luftstroms beim Sprechen auf dem Handrücken oder das Fühlen der Stimme am Hals des Therapeuten.
- Spannungs- und Entspannungsübungen sind wichtig und wirken sich auf die artikulatorischen Sprechwerkzeuge aus, z.B. die Lippen fest aufeinanderdrücken und loslassen.
- Zu den Sprechübungen gehören selbstverständlich, in unterschiedlichem Ausmaß, Atemübungen, z.B. Blasübungen mit Wattebällchen oder Trinkhalmen.
- Die Feinmotorik der Sprechwerkzeuge wird mit Übungen von Mund, Lippen, Zunge, Kiefer und Zähne geschult.
Um das Gelernte zu festigen, bekommt der Schüler eine Merkhilfe in Form eines kleinen Kärtchens, das vorzugsweise im Mäppchen aufbewahrt wird. Diese Merkhilfe soll ihn bis zur nächsten Einzelartikulationsübung daran erinnern, das Gelernte anzuwenden: z.B. langsam sprechen oder die bewusstere Aussprache des Phonems „s“ usw.
In den Förderstunden finden neben der Artikulation auch ein Ausbau des Wortschatzes und Hörübungen statt. Hierbei kommen auch verschiedene Lernprogramme an PC und Tablet zum Einsatz.
In der Stotterertherapie werden mit den Kindern und Jugendlichen verschiedene Sprechtechniken, Atemübungen und Möglichkeiten der Entspannung erlernt.
Die eigene Einstellung zum Stottern, belastende Situationen, Sprechängste werden je nach Alter der Kinder und Jugendlichen in der Einzeltherapie, in einer Kleingruppe oder einer kleinen Theatergruppe thematisiert und bewusst verändert. Selbstbehauptung und Problemlösefähigkeit beim Sprechen werden spielerisch eingeübt und in Sprechsituationen wie Gesprächssituationen, Präsentationen, Ansprechen von Fremden etc. in den (Schul)-alltag übertragen.
Empowerment
Unter Empowerment verstehen wir Maßnahmen, unsere Schüler zu ermutigen, eigene Stärken und Kompetenzen zur Selbstgestaltung und Kontrolle ihrer Lebenswelt zu entdecken, zu entwickeln und zu nutzen.
Ab der fünften Klasse bekommen die hörgeschädigten Schüler die Möglichkeit, sich mit ihrer Behinderung auseinander zu setzen, die sie individuell sehr unterschiedlich erleben.
Eine stabile Identität benötigt ein realistisches Selbstbild.
Dazu gehören das Wissen über die eigene Behinderung, das Fachwissen über Hörschädigung, mögliche technische Hilfsmittel, sowie der korrekte Umgang mit diesen.
Das Lernen von Kommunikationstaktiken, die Kenntnis der Rechte Behinderter und das Kennenlernen der verschiedenen Anlaufstellen für Behinderte haben hierbei einen hohen Stellenwert.
Ganz besonders bedeutsam ist die Möglichkeit des Austausches mit hörgeschädigten Erwachsenen.
So können die Schüler optimal auf die Bedingungen nach der Schulzeit und auf eine selbstständige Lebensführung vorbereitet werden.
Audiometrie
Unser Selbstverständnis verpflichtet uns zur Realisierung optimaler Hörbedingungen.
Ein Baustein bei der optimalen Versorgung bildet die Schulaudiometrie. Bei akuten Hörauffälligkeiten der Schüler, mindestens aber einmal im Jahr, werden alle Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I in der Schule audiometriert. Somit können die nötigen Fördermaßnahmen gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit der zuständigen Akustikerin auf das Hörvermögen der Kinder ausgerichtet werden.
Audiowatcher
Die "Audiowatcher" sind ein Projekt, in dem Schüler und Schülerinnen mit Hörhilfen induktive Höranlagen testen. Die Projektgruppe besteht aus Schülern der Sekundarstufe I.
Zu ihrer wichtigsten Aufgabe gehört die regelmäßige Überprüfung der bestehenden induktiven Höranlagen und der Hörtechnik in öffentlichen Gebäuden oder Kirchen der Rhein-Neckar-Region. Die Schüler fahren zu den Einrichtungen und testen die Anlagen.
Weiterhin versuchen sie, andere Einrichtungen auf die Induktions- und Hörtechnik zur Gestaltung einer besseren Hörsituation aufmerksam zu machen und damit die soziale Teilhabe als Mensch mit Hörschädigung zu unterstützen.
Hierzu haben die Schüler eine eigene Broschüre entwickelt und gestaltet, die sie Interessierten gerne zur Verfügung stellen. Somit wird eine Zusammenarbeit zwischen Schule und öffentlichen Einrichtungen der Region hergestellt. Diese Kundenkontakte werden durch die Audiowatcher in einer Datenbank erfasst und verwaltet.
Eine weitere Aufgabe ist die Pflege ihrer eigenen Seiten auf der schuleigenen Homepage.
Innerhalb des Projektes werden somit Kompetenzen wie Eigenständigkeit, Organisationsfähigkeit und Selbstbewusstsein gestärkt.